Wie die „provokazz“ – Aquarelle entstanden sind.
„Der Maler soll nicht nur malen, was er vor sich sieht,
sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er also nichts in sich,
so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.“
Caspar David Friedrich
„When too perfect, lieber gott böse.”
Nam June Paik
seit 1993 teilt die griechische katzendame kollontai von rhodos mein leben. sie kam nach frankfurt als illegaler import per flieger im rucksack.
kollontai, die inselwildkatze war zu beginn ihres großstadtlebens öfter mal verschwunden, spurlos in nichts aufgelöst (zum beispiel 1 ganze woche im thüringer wald, bei 7-tage-und-nächte-dauerregen). dieses abtauchen, dieses verschwinden ist auch thema in meinen „provokazz“-aquarellen.
eigentlich wollte ich von meiner malerischen wiedererweckung nach dem knapp 15 jahre währenden 68er polit-, frauenbewegungs-, kinderladen- und gewerkschaftsengagement in den späten achtzigern nicht mehr figürlich malen, aber die kazzenschönheit hat mich überwältigt und förmlich dazu gezwungen.
allerdings war mein plan von anfang an, nicht nur die äußere gestalt abzubilden, sondern auch das katzen-wesen, seine eleganz, schläfrigkeit, zartheit und wildheit, seine obsessionen und träume von mäusen und menschen. das ist es, was ich „in mir sehe“ (CDF).
und ich wollte noch weiter gehen: im zuge meiner beschäftigung mit dem wesen der katze sollte am ende mehrerer arbeitsphasen mit unterschiedlichen techniken und mitteln die vollkommene reduktion stehen, eine reduktion der form und
der malerischen mittel.
1. phase: während einer langwierigen krankheit im jahr 2004 mit täglichen skizzen begonnen. mittel: kugelschreiber, filzstift, bleistift, buntstift auf kladdepapier oder ähnliches. kazze kollontai musste mir tag + nacht modell stehen, sitzen, liegen.
sogar im schlaf hat die zeichnerin das arme tier nicht in ruhe gelassen.
bis kollontai mal der kragen geplatzt ist: als ich mich, weil sie immerfort die position wechselte und sich ständig um- und umdrehte, lauthals bei ihr beschwerte und sie aufforderte, doch endlich mal – wenigstens ein paar minuten – ruhig in einer position zu verharren, blaffte sie zurück: fauch ch ch ch!! sprang im hohen bogen von ihrem podest und ward den ganzen tag nicht mehr gesehn (obwohl sie doch sonst gar nicht nachtragend ist). folge: jedesmal, wenn ich einen stift zückte oder einen pinsel in den farbnapf tauchte, war das clevere tier wie von geisterhand verschwunden.
2. phase: skizzenhafte aquarellierungen, teils nach dem modell, teils aus dem kopf.
3. phase: ausschließlich „aus dem kopf“, bzw. aus der reinen innensicht .
wahl des quadratischen formats 40 x 40 (alle seiten gleich lang, von allen seiten betrachtbar, auf den kopf zu stellen etc.), große biberhaarpinsel der größen 20, 22, 26.
versuche der reduktion bis hin zum verschwinden.
© Almut Aue, 2008