Wolfgang F. Klee zur Ausstellung Almut Aue, dunkelbilder (2004).

AN ALMUT…

Dunkle Wolken ziehen übers Heiligtum. Ich schlage ans Hoftor, mein Schlag vermag Tote aufzuwecken, also gewährt man mir Einlass. Der Säulenweg zum Allerheiligsten birgt viele Überraschungen. Hier lauern finstere Gestalten, dort sind furchtbar ausgemalte Schreckbilder aufgestellt. Vielerlei und mancherlei drängt sich mir auf, bizarre Schattenbilder, beunruhigende Zauberstücke. Beim dunklen Schein einer Kerze taste ich mich weiter, bis das grause Dunkel, das Schwarze mich umfängt.

Wo eben noch ein Schattenwesen stand, steht jetzt ein rundlicher, mit Weinlaub bekränzter Mann. Blut schießt mir ins Antlitz, denn er ist nur mit einem Löschblatt bekleidet. Ich heiße Heinz, sagt er, er sei Professor der Zeichenkunst, weswegen er exportiert worden sei. Doch in Wahrheit, sagt er, bin ich ein Licht in der Finsternis.

Kunsthistoriker Hohlfinger, Nomen est Omen, steht in der Hierarchie ganz weit oben. Dieser Mann, einerseits ausgehöhlt, andererseits verholzt, gedenkt unseren Dionysos aus Florenz mittels fettiger Speisen und süßer Weine zu füttern und zu mästen, um ihn dann als Fettmonster der Avantgarde anlässlich einer großen Ausstellung der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Meisterschüler P.A. wurde hierzu als Fütterer missbraucht.

Jedem Künstler seine Muse! Unter diesem Motto wird die Musenwahl eröffnet. Der Maler von Hase mit den schweren Brüsten leitet das Wahlzeremoniell. Sein Blick und seine Rede sind streng, als er zur Musenschar hinüberdeutet. Und seine Sekretärin, Frau Lockwell, nickt dazu auf ihrem wackligen Sitzgestell. „Ich rate Ihnen, ja ich beschwöre Sie, wählen Sie mit Bedacht, aber wählen Sie richtig, denn eine solche Wahl ist sehr wichtig. Heute haben Sie noch gewunken, morgen sind Sie schon versunken.“ Aber ich habe mir ja Almut längst als Muse auserwählt, jedoch ohne ihr Wissen, denn Almut zieht in den Krieg, um über seine Schrecken zu berichten, und der Mann mit Hut zieht mit.

Die täglichen Luftschutzübungen unter Gebell und Befehl von Hohlfinger haben meine Nerven zerrüttet. Das Runter und Rein in den Luftschutzkeller und das Raus hernach haben meinem Teint geschadet.
Ich bin grau geworden und nicht nur Kopf, sondern auch Sinn ist vor der Zeit gealtert.

Die mysteriösen Leichensäcke, die gefährlichen Beile, die Kalaschnikows und das gesamte Mordinstrumentarium, ja die aus dem Dunkel der Kellerecken herankriechenden Würmer haben zu meiner Entscheidung, das Trainingscamp zu verlassen, maßgeblich beigetragen. Doch Scheiden tut weh, besonders dann, wenn man ein Herz für Musen hat. Und so gestatte ich mir noch einmal einen letzten Blick zurück, bevor ich morgen weiterziehe. Muse und Malerin Almut ist gerade dabei, einen tapferen Kunstsoldaten, der sich nach Feindberührung während einer Foltersitzung Verwundungen am Kopf zugezogen hat, zu versorgen und zu verbinden. Und Heinz, der inzwischen sein Löschblatt abgelegt hat, kämpft verbissen mit einer anderen Muse um seinen Turm.

Wahrlich ergreifende, bleibende Bilder, die sich vor meinem äußeren und inneren Auge entfalten und erst nach und nach, wenn überhaupt, zu verblassen scheinen.

Dank deinem enormen und energievollen Künstlertum, Almut, schreitest du auf einer neuen Bahn, und wohin dein Geist dich auch trägt, die Musen mögen dir, Zeichnerin, Malerin, Muse, bei allen künftigen Produktionen weiterhin treu bleiben und dich sicher ans Ziel geleiten.

GLÜCK AUF!

 

© Wolfgang F. Klee, Künstler, “Exzentriker”, Klosterpresse Frankfurt